Sie liebt die Herausforderung, mit dem eigenen Körper an die Grenzen zu gehen und zu schauen, was möglich ist. Ulrike Müller-Welte ist seit Kindesbeinen begeistert von Sport und Bewegung.
Als Kind begleitet sie in den Ferien ihre Cousine zum Kunstturn-Training in Weingarten. Sie ist fasziniert von den vielseitigen Bewegungen, probiert selbst Handstände und Überschläge aus. Auf dem Dorf aufgewachsen, fehlen jedoch die Möglichkeiten. Einen Salto versucht sie nie, hätte ihn mit Training aber vermutlich hinbekommen. Denn Müller-Welte ist positiv verbissen, noch heute spürt man den Ehrgeiz in ihrer Ausstrahlung, wenn sie von damals spricht.
Damals steht auch für Schulsport, wo sie gut dabei ist. Sport liegt ihr, prägt ihren Weg. Doch dann kommt der Schnitt: Sie möchte Sport studieren, eventuell Sportlehrerin werden. Als junge Frau kann sie das aber nicht. Vom Elternhaus wird der Wunsch nicht unterstützt.
Zuerst schüchtern, dann Motivatorin
Heute bereut sie es, dass sie keine sportliche Ausbildung durchlaufen hat. War sie ein Talent? Hätte sie den Durchbruch im Kunstturnen geschafft und wäre Profiturnerin geworden? Alles Fragen, die der 64-Jährigen heute in den Kopf schießen – trotzdem hat sie inzwischen Frieden damit geschlossen. Zurückblicken lohnt sich nicht. Außerdem ist Müller-Welte dennoch ihren Weg gegangen – der Sport stets an ihrer Seite, aber in anderer Ausprägung. Über die Skigymnastik findet sie 1977 ihren sportlichen Anker. Zunächst als Teilnehmerin und später als Übungsleiterin.
Ihr damaliger Trainer bei der SG Kißlegg erkennt ihr Talent und spricht sie direkt an: Hättest du nicht mal Lust, eigene Kurse zu geben? Sie zögert nicht und willigt ein. Mit Spaß und Motivation bereitet sie akribisch die Übungsstunden vor. Zunächst mit Kindern und Jugendlichen und später, mit Anfang zwanzig, bei den Erwachsenen. Sie muss vorne vor Gruppen stehen und das, obwohl sie überhaupt nicht der Lautsprecher ist. „Anfangs war ich schüchtern“, erinnert sich Müller-Welte. Das legt sich mit der Zeit. Aus anfänglichen rund 25 Teilnehmenden werden nach und nach rund 60, sodass die Gruppe in zwei Teile getrennt werden muss, damit die Trainingsqualität nicht leidet. „Ein echtes Erfolgserlebnis“, sagt die 64-Jährige heute stolz. Sie absolviert die Ausbildung zum Übungsleiter und freut sich ihre Leidenschaft für Sport auf diesem Weg einbringen zu können.
Weiterbildung - mit Wissbegierde und Talent
Anstatt sportlicher Laufbahn als Jugendliche hat sie nach der zehnten Klasse Gymnasium die mittlere Reife in der Tasche, besucht im Anschluss ein Jahr noch das Berufskolleg. Lernt dort die kaufmännischen Grundlagen um Betriebswirtschafts- und Volkswirtschaftslehre kennen und schafft direkt den Sprung zur Kreissparkasse in Kißlegg. Sie wird ins Angestelltenverhältnis übernommen, da dort kein Ausbildungsplatz mehr frei war. „Lange Zeit hat mich die Tatsache, keine klassische Ausbildung absolviert zu haben, verfolgt“ erklärt Müller-Welte. Aber die anfänglichen Zweifel, ob sie genügend Rüstzeug für weitere berufliche Herausforderung mit sich bringt, weichen successive – einfach in der Bestätigung, dass vieles auch mit „learnig by doing“ zum Erfolg führen kann. Müller-Welte entwickelt sich zu einem regelrechten Multitalent, von ihren Arbeitskollegen geachtet und in viele Entscheidungen involviert. Heute sagt sie über die lehrreiche Zeit: „Was ich gemacht habe, wollte ich gut machen“.
Musik trifft Sport
Ihr Ehrgeiz begleitet die Bankkauffrau bis heute und steht symbolisch für ihren späteren Werdegang. Nach einer Babypause startet Müller-Welte wieder durch. Zunächst als Hobby in der Frauengymnastik, wo sie mit Mitte 20 als Übungsleiterin weitermacht.
Mit der Zeit entwickelt sie ihr eigenes Konzept von Bewegung zur Musik. Sie versucht Sport mit Musik zu verbinden und gehört zur damaligen Zeit als eine der ersten, die das Potenzial der Musik bei der Bewegung erkennt. Dafür muss sie zur damaligen Zeit aber mühsam die Musikstücke mit dem Kassettenrekorder aufnehmen.
Doch die Mühen lohnen sich, wie die Übungsleiterin heute weiß: Besonders der tänzerische Auftritt zum Stück Time Warp aus der Rocky Horror Picture Show ist ihr im Gedächtnis geblieben. „Der damalige Bürgermeister von Kißlegg hat unseren Auftritt als fernsehreif bezeichnet“, erinnert sich die heute 64-Jährige voller Stolz zurück. Darüber hinaus treten Müller-Welte und ihr Team bei verschiedenen Anlässen auf. Mal bei Turngau-Treffen, Sportlerbällen oder bei etwas Offiziellerem.
Gleichzeitig konnte sie Teilnehmerinnen dazu motivieren, ebenfalls die Ausbildung zum Übungsleiter zu absolvieren. Ulrike Müller-Welte sieht nach wie vor in der Aufgabe eines Sportvereins bzw. auch der Übungsleiter eine wichtige soziale Funktion. Im Leistungs- wie im Freizeitsport. Insgesamt war sie von 1977 an bis 2012 als Übungsleiterin im Einsatz. 35 Jahre.
Zwischen Selbständigkeit und Vision
Abgesehen vom (Turn-)Sport hat sie sich nach ihrem Job bei der Kreissparkasse ein anderes Standbein aufgebaut: die Selbständigkeit. Diese startet sie 1998 mit ihrer Fliesengalerie. Als Frau in einer Männerdomäne muss sich Müller-Welte behaupten. Sie kommt klar, auch weil sie anders tickt. Sie absolviert neben Kind und Firma ein Fernstudium in Grafik Design. Mit großem Engagement, Freude an Gestaltung und Empathie zu Kunden und Mitarbeitern führt sie ihr Unternehmen zum Erfolg. 22 Jahre führt sie dieses, bis eine Idee ihres Mannes Realität wird.
Über einen Zufall erhält der Unternehmer die Möglichkeit, in ein historisches Gebäude in der Ravensburger Mauerstraße zu investieren. Wie sich herausstellt, war das bis dato genutzte Möbelgeschäft bereits vor 120 Jahren ein Hotel. Für Müller-Welte und ihren Mann, Vorsitzender beim TSV Berg, die Vision, das Hotel wiederaufleben zu lassen. Und da die Stadt und Wirtschaft seit längerem über die mangelnden Übernachtungsoptionen in der Stadt klagen, ergreift ihr Mann die Initiative. Er kauft 2016 das Objekt, lässt es umbauen. 2022 eröffnet das Hotel. Der Kaiserhof erstrahlt mit 51 Zimmern, zwei Restaurants auf insgesamt vier Etagen in neuem Glanz. Mittendrin: Ulrike Müller-Welte, die als Inhaberin ihre Rolle als Gastgeberin mit Leidenschaft lebt. Ihrem Team aus Experten rund um Gastronomie und Hotellerie begegnet sie auf Augenhöhe, ganz so wie sie es aus Sport und Beruf selbst gelernt hat.
Auch der Schwäbische Turnerbund durfte in den Genuss des Hotels kommen. Während des Landesturnfests in Ravensburg suchte das Projektteam mit seinen hauptamtlichen Mitarbeitenden nach einer zentral gelegenen Stelle, von wo aus die Organisation der Breitensportveranstaltung gut umsetzbar war. „Mit dem Kaiserhof an unserer Seite konnten wir uns bestens auf unsere Aufgaben konzentrieren“, ist Projektleiterin Kristine Hartmann voll des Lobes. Für Müller-Welte und „Herzensprojekt“ ist das eine tolle Bestätigung: „Für uns war sofort klar, dass wir als Hotel dem STB mit seinem Team bestmögliche Rahmenbedingungen für das LTF bieten wollen.“
Motivationsschub für die Bevölkerung?
Nach der Veranstaltung zeigt sich Ulrike Müller-Welte von der Turnfamilie beeindruckt und hofft durch das Landesturnfest auf einen sportlichen Motivationsschub in der Ravensburger Bevölkerung. Diesen beobachte sie nämlich bereits bei sich selbst: Durch ihre Selbständigkeit sowie die Eröffnung des Hotels sei ihre Liebe zum Sport in letzter Zeit etwas zu kurz gekommen. Das möchte sie wieder ändern, auch weil sie selbst um die Bedeutung von Sport, Bewegung und sozialem Umfeld weiß. Ohne den Sport wäre sie heute nicht die Person, die sie ist: Direkt, zugleich aber auch empathisch, dynamisch, aber auch rücksichtsvoll. Diese und noch mehr Eigenschaften spiegeln sich auch im Kaiserhof wider.
Mehr Informationen zum Kaiserhof? https://www.kaiserhof-rv.de/