„Es kommt drauf an, wo ich abspringen und landen muss“, erklärt Jörg Hoppenkamps auf die Frage, ob er noch einen Salto kann. Aus dem Stand wolle er das nicht mehr probieren. Für Salti mit seinem Sohn aus dem Boot ins Wasser oder in die Schnitzelgrube ist er aber immer noch zu haben. Der Salto stelle für ihn das Kernelement im Turnsport dar. Egal ob Purzelbaum im Kindergarten oder ein mehrfacher Salto im Spitzensport. Die Grundelemente sind vergleichbar und mit denen identifizieren sich die Menschen, die sie ausführen. Ob im Kindergarten oder bei einer Deutschen Meisterschaft.
Einen elementaren Unterschied sieht der gelernte Wirtschaftswissenschaftler aber in der Motivlage der Turner. Im Fußball wollen die Beteiligten das Spiel gewinnen – egal auf welcher Ebene. Im Turnen gehe es dagegen um die Ausführung und Beherrschung einzelner Elemente zum individuellen Optimum. Der heutige Geschäftsführer des Deutschen Jugendherbergs-Landesverbandes Baden-Württemberg (DJH
BW) ist Vereins-Turn-Mensch durch und durch. Ihn habe nie das leistungsorientierte Turnen motiviert. Trotzdem hat er auf vergangenen Kinderturnfesten die ein oder andere Medaille im Turnen geholt.
15 Jahre lang beim STB
Zufällig spricht der 48-Jährige nicht über den Turnsport. 15 Jahre lang leitete er den Geschäftsbereich Marketing und Event beim Schwäbischen Turnerbund, erlebte die beiden Turn-Weltmeisterschaften 2007 und 2019 in Stuttgart. In Berührung mit dem Fachverband ist er über den klassischen Turnweg gekommen: Als Breitensport-Turner war der STB damals schon die regionale Attraktion im Turnsport. Also absolviert der 48-Jährige nach seinem Abitur vor der Jahrtausendwende seinen Zivildienst dort. Nach seinem Studium der Wirtschaftswissenschaften an der Universität in Stuttgart-Hohenheim verschlägt es ihn einige Jahre später wieder zum STB. Rückblickend ist er sich sicher: „Ohne den Zivi wäre ich nicht beim STB gelandet.“
Zunächst als Assistent der Geschäftsführung, später als Geschäftsführer der Marketing und Event GmbH. Warum? Weil er dort etwas bewirken und verändern kann, erklärt er heute. Einen wesentlichen Schwerpunkt seiner damaligen wie auch aktuellen Arbeit sieht er im Bereich der Persönlichkeitsentwicklung. Wie in einem funktionieren Sportteam gehe es immer darum, sich neu zu erfinden, neue Reize zu setzen. Dabei dürfen aber auch nicht die Hauptaufgaben aus den Augen verloren werden. Wofür stehen wir als Verband? Was möchten wir bewirken? Alles Fragen, die Hoppenkamps beim STB wie auch jetzt beim DJH BW beschäftigen.
"Es kommt auf den Inhalt an"
Der ehemalige Marketing-Chef erinnert sich an seine STB-Zeit gerne zurück. Über die Jahre hat er aus der Nähe beobachten und gestalten können, wie sich der Fachverband zukunftssicher aufstellt. Und das hat der Turnerbund über Jahrzehnte hinweg gut gemacht. Der Schlüssel liege in behutsamer Schnelligkeit, wie es Hoppenkamps ein wenig gegensätzlich beschreibt: „Entscheidend ist der Inhalt, der transportiert werden muss.“ Immer wiederkehrende Diskussionen im Fachverband zu Namensänderungen von bestimmten Begriffen wie Turngauen sieht der DJH BW-Geschäftsführer deshalb als deplatziert. Vielmehr sieht er den Schwerpunkt allgemeiner: Ist der Inhalt noch zeitgemäß und passt dieser auch aus Marketing-Sicht? Und Marketing geht weit über das einfache „Wording“ oder die „Verpackung“ hinaus. Es geht ihm ums Gesamtprodukt.
Wie eine erfolgreiche Umsetzung von Inhalt und Aussehen funktionieren kann, veranschaulicht Hoppenkamps an der Turn-WM 2019 in Stuttgart: „Wir haben damals genau das geschafft: Die Bewegung als Identifikation mit der Veranstaltung attraktiv für die Außenwelt aufzuziehen.“ Ähnliche Themen beschäftigen den 48-Jährigen auch beim DJH. Dort versprühe die Institution Jugendherberge auf den ersten Blick ebenfalls nicht den modernen Schein. Das ist aber auch gleichzeitig der Grund, warum der Wirtschaftswissenschaftler 2019 zum DJH BW wechselt. Der Reiz, etwas Neues auszuprobieren, seine Expertise einzubringen und den Verband neu zu gestalten. „Mit der WM 2019 habe ich einfach gemerkt, dass ich mich nicht mehr neu erfinden und damit auch keine neuen Impulse setzen kann“, erklärt er.
Jahresumsatz von mehrt als 50 Millionen Euro
Beim DJH BW agiert der in Esslingen wohnende Hoppenkamps, in der Funktion des geschäftsführenden Vorstands, sowohl mit viel Verantwortung als auch Gestaltungsmöglichkeiten.
Letzterer Punkt überrollte den 48-Jährigen zu Beginn auch ein wenig, wie er eingesteht. Absolut nachvollziehbar, ist er im ganzen Bundesland für 47 Jugendherbergen mit mehr als 800 Mitarbeitenden bei einem Jahresumsatz von mehr als 50 Millionen verantwortlich. Obgleich er die Freiheiten schätzt, gibt er zu bedenken, dass er Dinge nicht mehr nur umsetzt, sondern inzwischen auch verantworten muss. Das wiederum hat zur Folge, dass ihn Dinge gerne auch mal über die Arbeitszeit hinaus beschäftigen. Zugleich schöpfe er daraus
auch seine Motivation für weitere Projekte.
Hoppenkamps ist ein Gestalter, der sich selbst als Organisationsentwickler bezeichnet und nicht als Sportwissenschaftler. Er genießt es, Dinge zu hinterfragen. Auf diese Weise entwickelt er den DJH BW stetig fort. Mit mehr als zwei Millionen Mitgliedern bundesweit wird auch der Verantwortungsbereich des Verbands deutlich, den der 48-Jährige übrigens auch als Parallele zum STB sieht: die gesellschaftliche Verantwortung beider Einrichtungen. Im Landesverband versuchen Hoppenkamps und sein Team, der Aufgabe gerecht zu werden, indem sie nach immer neuen Lösungen suchen, verschiedenste Zielgruppen zu erreichen und die Jugendherberge als facettenreiche Einrichtung darzustellen.
Einen Ort, wo Gesellschaft und Bildung gelebt wird. Das erfordere aber ein Umdenken und einer Umfunktionierung des Verbands aus der klassischen Schublade, wie der Geschäftsführer erklärt: „Wir wollen neben unserem Kerngeschäft der Übernachtungen auch immer stärker die pädagogischen Angebote in den Blick nehmen.“ Denn das sei ein logischer Schritt bei Klassenfahrten und Aufenthalten in der Jugendherberge. Was passiert mit den Gästen während des Aufenthalts? „Das ist einer unserer notwendigen Veränderungsprozesse“, gibt Hoppenkamps das klare Ziel für die Zukunft vor.
Wind, Meer und Wellen für den Ausgleich
Um das auch erfolgreich umzusetzen, achtet der Esslinger auf ausreichend Auszeiten, die er am liebsten am Meer genießt. Denn vielmehr benötigt der sich selbst als „Meermensch“ bezeichnet nicht zu seinem Glück. Diese Art von Auszeiten gönnen sich er, seine Frau und sein Sohn öfter mal. Möglich macht’s der eigene Bulli, mit dem die Familie regelmäßig spontan an den Atlantik oder in den Norden düst. Fernab von Wasser treibt der 48-Jährige aktuell keinen Vereinssport, weil ihn keines der im Umkreis liegenden Angebote wirklich überzeugt. Diese Einstellung überrascht nicht, erwartet Hoppenkamps doch auch von sich immer wieder neue Impulse, so verlangt er das auch von seinem Umfeld. Bislang haben ihn sowohl Inhalt wie auch Verpackung eben nicht überzeugt.