Nach ihrer Turnkarriere hat Lisa Hill beim Surfen ihren Spaß gefunden.

PERSÖNLICHkeiten: Lisa Hill - von der Profiturnerin zur Ingenieurin in Brasilien

In der aktuellen Ausgabe des STB Magazins wird dieses Mal Lisa Hill porträtiert. Die ehemalige Leistungsturnerin blickt auf eine erfolgreiche Sportkarriere zurück und hat ihren beruflichen Weg gefunden.

Lisa Hill in diesen Tagen zu erreichen, ist gar nicht so einfach. Die ehemalige Leistungsturnerin ist nämlich aktuell in Brasilien. Und das nicht zum Urlaub machen, sondern beruflich. Die studierte Maschinenbauerin und Kybernetikerin nimmt an einem Austauschprogramm ihres Arbeitsgebers Stihl teil. Sechs Monate geht das so. Für Hill weilt ein Kollege in Stuttgart.

Dass sie beruflich solche Projekte verwirklichen kann, charakterisiert die heute 32-Jährige gut. Bereits zu ihrer aktiven Laufbahn legte sie nach der Schule den Grundstein dafür. Nach der Schule kam die Frage auf: „Wie geht es weiter?“ Zur Auswahl standen für Hill Studium oder Bundeswehr. Entgegen der nett gemeinten Ratschläge aus ihrem sportlichen Umfeld entscheidet sich die Turnerin für das Maschinenbaustudium und anschließendes Studium der technischen Kybernetik. Rückblickend empfinde sie Zufriedenheit, „dass das alles so geklappt“ hat.

Eine auch heute noch bemerkenswerte Entscheidung, bedenkt man den Druck im Leistungssport. Auch bei Hill war das so: „Mir wurde unterschwellig angedeutet, dass die Bundeswehr mit dem Trainingsalltag einer Leistungssportlerin besser zusammenpasst.“ Aber Hill zieht durch und lässt sich nicht mehr abbringen. Zunächst mit dem Bachelor (Maschinenbau) in Esslingen, danach den Master (Technische Kybernetik) an der Uni Hohenheim.

Positive Erlebnisse in Stuttgart

Die gebürtige Kielerin hat in Stuttgart seit Anbeginn ihrer Zeit ein zweites Zuhause gefunden. Nach der Schule zieht sie aus dem Norden in die Landeshauptstadt, startet ihr Studium und turnt währenddessen für den MTV Stuttgart und trainiert im Kunst Turn Forum. „Ich habe durchweg nur positive Erinnerungen an meine sportliche Zeit hier in Stuttgart“, berichtet Hill. Und dass obwohl sie unschönere Phasen in ihrer aktiven Laufbahn in Chemnitz erlebt hat. In Stuttgart hat sich das von Anfang an anders angefühlt. Auch weil sie als junge Erwachsene den Weg in die Landeshauptstadt findet, ihre Meinung wird respektiert.

Sie war sogar mehrmals für die TurnGala im Einsatz und präsentierte an den verschiedenen Standorten in Baden-Württemberg tausenden von Menschen ihre Fähigkeiten am Schwebebalken und Stufenbarren. Zuletzt im vergangenen Jahr. Weitere Auftritte seien vorerst aber nicht geplant, wie sie verrät.

Ihre Liebe zum Turnen beginnt aber im Norden: Genauer gesagt in Schleswig-Holstein, wo sie nach ihrer Geburt aufwächst. Dort wird sie von ihrer Mutter und Oma früh in die Turnhalle genommen, beide sind Trainerinnen. Nicht selten kam es vor, dass Hill in eine sogenannte Longe geschnallt wird und Saltos macht. Einer nach dem anderen. Wo andere Kinder in dieser Phase lieber auf dem Spielplatz toben, findet Hill beim Trampolinspringen und bei Saltos in der Longe besonders viel Gefallen.

Karriereende verpasst

Aus der kleinen Turnerin wird eine Profiathletin mit internationalen Erfolgen: Sie nimmt an Europa- und Weltmeisterschaften teil, war Ersatz-Turnerin für Olympia 2012 und krönt sich 2014 am Stufenbarren zur Deutschen Meisterin. Ihren persönlich größten Erfolg schafft sie im selben Jahr mit dem Einzug ins Stufenbarrenfinale bei der Weltmeisterschaft in Nanning. Eine mehr als erfolgreiche Karriere, die 2014 beinahe ihr krönendes Ende findet. Die damals 22-Jährige denkt offen über ein Karriereende nach. Doch ihr Mut reicht nicht aus, Turnen nimmt noch einen zu großen Platz in ihrem Leben ein. Sie verbringt fünf bis sechs Stunden täglich in der Turnhalle. Einfach aufhören geht nicht.

Also macht sie weiter. Ein Fehler? Davon möchte Hill nicht sprechen, sie gibt aber zu, dass danach nicht mehr viel zusammenläuft. Einerseits fehlt ihr die absolute Energie fürs Training, außerdem häufen sich die Verletzungen. Aus diesem Strudel kommt sie nicht mehr heraus. Sie wird zweimal am Knie operiert, bekommt Rückenprobleme und andere Schwierigkeiten. Ende 2015 zieht sie den Schlussstrich.

Achtsamkeit und Sensibilität

Auf die Vergangenheit blickt sie zwar ohne Groll, wünscht sich für künftige Generationen aber ein höheres Maß an Achtsamkeit und Sensibilität. Denn während ihrer Zeit gibt es zumeist nur eine Richtung: Belastung. Hier müsse mehr auf die Athleten eingegangen werden – Stichwort Trainingssteuerung. „Die eingeschlagene Richtung stimmt schon mal, denn in den vergangenen Jahren hat sich vieles verändert“, zeigt sich Hill zuversichtlich.

Es sei wichtig, den Athleten einen anderen Blick auf den Sport zu geben. Dass du als Mensch mehr bist als nur „die Turnerin“. Dass es noch viel mehr im Leben gibt als nur den Sport. Und, es gibt noch ein Leben nach dem Sport.

Die gelernte Ingenieurin möchte ihren sportlichen Lebensweg aber um keinen Preis missen: „Einfach weil es so viele wunderbare Momente für mich gegeben hat.“ Turnen hält sie für eine „total wichtige“ Sportart, die für die Entwicklung im Kindesalter Gold wert ist. Wenn sie heute zufällig Kinder auf Spielplätzen sieht, finde sie es manchmal „erschreckend“, da ihnen oftmals die koordinativen Fähigkeiten fehlen. Turnen, Leichtathletik oder Judo seien Sportarten, die genau das aber schulen. Deshalb legt Hill Motorik fördernde Sportarten Kindern sowie Erwachsenen stark ans Herz.

Am Turnen selbst schätzt sie den Spaß an der Bewegung. „Es gibt den Kindern eben auch unglaublich viele Erfolgserlebnisse“, beschreibt sie ihre Sportart. Neben den körperlichen Vorteilen zahle sich das Training auch für den Geist aus: „Kinder können sich durchs Turnen oder andere koordinativ anspruchsvolle Sportarten auch besser konzentrieren.“

Ob ihrer Passion zum Turnen freut sie sich inzwischen auch darüber, andere Sportarten auszuprobieren. So hat sie vor drei Jahren den Spaß am Surfen entdeckt. Seitdem stand sie immer mal wieder auf dem Brett. Während ihres jetzigen Aufenthalts in Brasilien hat sie sich sogar vorgenommen, den Sport richtig zu lernen. Mit Blick auf ihre Turnfähigkeiten dürfte sie auch beim Wellenreiten mehr als gut zurechtkommen.

Daneben habe sie Pole Dance für sich entdeckt, das sie regelmäßig in einem Kurs trainiert. Als Turnerin bringe sie dafür beste Voraussetzungen mit, erklärt Hill.

Fehlt der Profisport?

Eine klare Antwort kann die 32-Jährige nicht geben, da es für alles Für und Wider gebe. Am Profisport geliebt hat sie „die Glücksgefühle und Hormone“, die ausgeschüttet wurden, wenn sie eine Übung erfolgreich beim Wettkampf präsentiert oder ein neues Element gelernt hat. Auch das damit verbundene Adrenalin vermisse sie in gewisser Weise. Auf der anderen Seite laste nicht mehr der Druck auf ihren Schultern. Sie muss niemandem mehr etwas beweisen. Die Tiefs nach den Hochs bleiben aus und stimmen sie einfach „ausgeglichener“.

Dieser Pragmatismus beschreibt die lernwillige Kybernetikerin sehr gut. So hat sie auch kein Lieblingselement nach all den Jahren harter Trainings- und Wettkampfarbeit. Der Salto stelle für sie ein Grundelement dar wie eine Kippe, ein Handstand oder ein Überschlag – die Basis für viele weitere Bewegungsfolgen. Wie bei Hill selbst: Die Grundlage für ihre sportliche Zukunft hat sie vor Jahren gelegt und kostet sie aktuell in Brasilien aus.

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