Epochen der Turnbewegung

Nationalsozialismus

Mit der "Machtergreifung" Adolf Hitlers 1933 begann in Deutschland die Demontage der demokratischen und rechtsstaatlichen Strukturen. Für die deutsche Turn- und Sportbewegung bedeutete die nationalsozialistische Machtübernahme Aufwertung und Beschneidung zugleich. Zum einen maßen die Nationalsozialisten der Körperertüchtigung für ihre politischen und militärischen Ziele einen hohen Stellenwert bei; zum anderen aber unterwarfen sie das bestehende vielfältige Verbandswesen einer "Gleichschaltung" und reduzierten die Kompetenzen der Turn- und Sportverbände nicht zuletzt durch zahlreiche Konkurrenzorganisationen wie Sturmabteilung (SA), Hitlerjugend (HJ), Bund deutscher Mädchen (BdM) und Kraft durch Freude (KdF) massiv.

Die Turnbewegung hat sich von den anfänglichen Versprechungen der Nationalsozialisten blenden lassen. Selbst von einer ausgeprägten "nationalen" Gesinnung und voller Hoffnung auf den Erhalt ihrer Führungsrolle im Turn- und Sportbereich, bot sie nicht nur den neuen Herrschern mit dem Deutschen Turnfest 1933 eine Bühne, sondern sie ließ sich auch für die Militarisierung des Turn- und Sportbetriebs missbrauchen. Die Anpassungspolitik hat den Turnern keinen Vorteil gebracht. Sie verloren ihre Eigenständigkeit und haben sich für lange Zeit moralisch belastet.

Entgegen den pathetischen Äußerungen der nationalsozialistischen Führung zur großen Bedeutung der Turnerschaft war an eine Stärkung der Rolle der Turner nicht gedacht. Zwar wurden 1933 mit dem Verbot der Arbeiterturnbewegung und der Auflösung des Schwäbischen Turn- und Spielverbands zwei Konkurrenzorganisationen ausgeschaltet, aber die gleichzeitige Umwandlung des Kreises XI Schwaben in den "Gau XV Württemberg" und der Turngaue in "Kreise" bedeutete eine Anpassung turnerischer Strukturen an die der Nationalsozialisten, die ein anderes Signal setzte. 1934 entstand der Einheitssportverband "Deutscher Reichsbund für Leibesübungen " (DRL) mit Fachämtern für die einzelnen Sportarten.

Ein Jahr später wurde die Turnerschaft als "Fachamt 1" für Gerätturnen, Gymnastik und Sommerspiele in den DRL eingegliedert. Im September 1936 löste sich die Schwäbische Turnerschaft als eigene Organisation schließlich ganz auf. Die inneren Strukturen des Vereinswesens hatten zu diesem Zeitpunkt schon einschneidende Veränderungen erfahren. Neben dem frühen Ausschluss jüdischer Mitglieder und der Einführung einer Einheitssatzung mit "Führerprinzip" statt Mitbestimmung war es vor allem das sogenannte Dietwesen, die Pflege "völkischer" Ideologie, die der Turnerschaft ihren nationalsozialistischen Stempel aufsetzen sollten.

Jüdische Mitglieder verzeichneten schwäbische Turnvereine seit dem Kaiserreich, nachdem dieser Bevölkerungsgruppe nach jahrhundertelanger Diskriminierung erste bürgerliche Gleichberechtigung zuteil geworden war. Sie waren ebenso "turnerisch" gesinnt und engagiert wie alle anderen Mitglieder. 1889 hatte die Deutsche Turnerschaft den niederösterreichischen Turngau ausgeschlossen, weil dieser antisemitische Politik betrieb. 1933 jedoch hatte sich die neue Verbandsführung unter Edmund Neuendorff entschieden, die Nationalsozialisten schon zum Deutschen Turnfest 1933 mit einer "judenfreien" Turnerschaft zu beeindrucken und beschloss im April 1933 die Einführung des sogenannten "Arierparagraphen".

Aus zahlreichen Vereinen mussten jüdische Mitglieder noch im Frühsommer 1933 austreten. Für manchen jüdischen Turner, der bei der Turnerschaft sein Wirkungsfeld gefunden hatte, kam der Ausschluss einer persönlichen Katastrophe gleich. So hat sich z.B. der langjährige Leiter des TV Cannstatt daraufhin das Leben genommen. Andere haben sich jüdischen Turn- und Sportorganisationen angeschlossen und hier bis 1938 gewirkt. Das KZ wurde für viele jüdische Turner zur Endstation.

Der Aspekt der Wehrertüchtigung, den die Turnbewegung von Beginn an in verschiedener Form gepflegt hatte, bot dem Nationalsozialismus einen idealen Anknüpfungspunkt für eine ausgiebige militärische Nutzung des Turn- und Sportbereichs. Das Ziel der NS-Führung, die gesamte männliche Jugend körperlich und geistig auf den Krieg vorzubereiten, stand durchaus in Verbindung mit Jahnschem Gedankengut, wenn dieser auch nur die Verteidigung und nicht die aggressive Eroberung im Blick hatte.

Die Turnerschaft, die die militärische Niederlage des Ersten Weltkrieges und die Entmilitarisierungsauflagen der Siegermächte wie viele andere in Deutschland als Schmach erlebte, betonte diese Tradition mit Stolz und bot sich den Nationalsozialisten mehr als andere Sportverbände als Partner an. Schon auf dem Deutschen Turnfest 1933 konnte ein breites Angebot im Wehrturnen gezeigt werden: Orientierungsmarsch, Keulenziel- und Weitwurf, Entfernungsschätzen, Hindernislauf und Kleinkaliberschießen. Zum Turnbetrieb gehörten nun auch Wehrturnlager, und insgesamt betonte man im gesamten Turn- und Sportbereich das kämpferische Element. Der Bruch mit dieser wehrturnerischen Tradition nach dem Zweiten Weltkrieg gehört zu den einschneidendsten Veränderungen der Turngeschichte.

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