DTB-Präsident Alfons Hölzl. Foto: Potthoff

Hölzl: „Der Schwäbische Turnerbund hat Großes geleistet“

Dr. Alfons Hölzl ist seit dem 1. Oktober Präsident des Deutschen Turner-Bunds. Wir haben uns mit dem A-Trainerschein-Inhaber über die großen Fußstapfen seines Vorgängers, die Doppelbelastung aus Beruf und Ehrenamt sowie die Zukunft des deutschen Turnens unterhalten.

Herr Dr. Hölzl, zunächst noch einmal herzlichen Glückwunsch zu ihrer Wahl zum DTB-Präsidenten. Wie verliefen Ihre ersten Amtstage?
Sehr angenehm, mit vielen Glückwünschen und Einladungen in die Landesturnverbände. Erste Sitzungen beim DOSB und ein Abstimmungsgespräch in Berlin zum Internationalen Deutschen Turnfest standen auf dem Programm. Natürlich auch Terminabstimmungen, Interviews und Planungsgespräche. Darauf konnte ich mich seit längerem einstellen und war auch zuletzt bereits an Tagungen des DTB-Präsidiums beteiligt.

Ihr Vorgänger Rainer Brechtken hat den Verband 16 Jahre lang geführt. Wie beurteilen Sie seine Arbeit und in welchem Zustand sehen sie den Deutschen Turner-Bund aktuell?
Die externen Redner beim Turntag in Frankfurt haben bei der Verabschiedung von Rainer Brechtken unisono bestätigt, dass der DTB als zweitgrößter Spitzenverband gut aufgestellt und in Sport und Politik gut vernetzt und geachtet ist. Das ist ein Pfund, das Rainer Brechtken als Präsident gemeinsam mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, gleich ob auf ehren- oder hauptamtlicher Ebene, im Übrigen zusammen mit den Landesturnverbänden, geschaffen hat und das mir zusammen mit unserer Generalsekretärin Michaela Röhrbein den Einstieg und die Fortsetzung der Aufgaben erleichtert. Ich danke Rainer auch für die gute Amtsübergabe.

Der DTB ist ja auch deshalb ein spannender Verband, weil er sich nicht allein auf den Olympischen Spitzensport und seine Erfolge reduzieren lässt, sondern eine Vielfalt an Sportarten einschließlich der GYMWELT vereint und sich zudem als Verband für Turnen und Gymnastik mit seinen Dienstleistungen für die Vereine an Herausforderungen in der Vereinsentwicklung engagiert. Die deutsche Turnbewegung hat, wenn sie ihre Ziele mit einer gemeinsamen Strategie verfolgt, große Möglichkeiten. Dennoch dürfen wir nicht verkennen, dass wir dennoch insgesamt vor großen Herausforderungen stehen. Ich freue mich darauf!

Rainer Brechtken war während seiner Amtszeit beim DTB größtenteils nicht berufstätig, Sie stehen noch voll im Berufsleben, führen eine eigene Kanzlei. Wie stemmen Sie diese Doppelbelastung?
In Abstimmung mit den übrigen Präsidiumsmitgliedern und den hauptamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern werden wir eine stärkere Arbeitsteilung verabreden. Ich werde sicher nicht die Fülle von Terminen persönlich wahrnehmen können, wie dies Rainer Brechtken möglich war. Besonders freut mich, dass mir die Landesturnverbände unisono ihre Unterstützung zugesagt haben. Die

LTV-Präsidenten sind nicht nur die obersten Repräsentanten der Turnbewegung in den Ländern, sie spielen auch auf der Bundesebene eine bedeutsame Rolle. Auch sie können den DTB vertreten. Im Übrigen ist mir die inhaltliche Gestaltung wichtiger als die repräsentative Vertretung, ohne dass ich letztere vernachlässigen möchte.
 
Sie selbst besitzen eine Trainer-A-Lizenz für Gerätturnen weiblich und männlich. Ist das ein Vorteil für Ihre neue Aufgabe als DTB-Präsident?
Für die Einschätzung fachlicher Fragen im Gerätturnen und Spitzensport ist dies sicher von Vorteil. Aber keine Sorge, für die fachlichen Entscheidungen haben wir unsere Profis und unsere professionellen Gremien. Meine Aufgaben an der Spitze des Präsidiums sind da erheblich breiter angelegt. 

Wo sehen Sie Ihre mittel- und langfristigen Schwerpunkte in der Arbeit als DTB-Präsident?
Ich habe das Amt in der laufenden Amtsperiode von 2013 bis 2017 übernommen, wenige Monate nach der erfolgreichen Teilnahme der Turnerinnen und Turner bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro und einige Monat vor dem Internationalen Deutschen Turnfest 2017 in Berlin. Dies sind dann auch die Schwerpunkte des ersten Jahres: Die Weichenstellung für den kommenden olympischen Zyklus Tokio 2020, die in den kommenden Monaten geprägt sein wird von Diskussionen über die Neuausrichtung der Spitzensportförderung im deutschen Sport. Zweitens wollen wir das Turnfest 2017 in Berlin wieder zu einem imposanten Fest der Turnbewegung und Schaufenster der Vielfalt und Leistungsfähigkeit unserer Turnvereine und Turnabteilungen gestalten.

Weitere Zielsetzungen ergeben sich aus den Ergebnissen der Arbeitstagung des DTB und der LTV, welche wir dem Deutschen Turntag bewusst vorgeschaltet haben, etwa die Offensive Kinderturnen! Ein weiteres Thema liegt mir besonders am Herzen: Wir brauchen strukturelle Änderungen im deutschen Sportsystem, die es den einzelnen Verbänden – gleich auf welcher Ebene – ermöglichen, ihre Angelegenheiten verbessert wahrzunehmen. Falsche Zuordnungen und unzutreffende oder fehlende Mitgliedschaften können uns nicht unberührt lassen.

Ich möchte noch ein verbandsinternes Thema ansprechen: Ich kenne niemanden, der unser Startpasssystem als modern bezeichnen würde. Wir brauchen eine Lösung, die auf Vereins- und Verbandsseite weniger Verwaltung erfordert und wirtschaftlich der Leistung der Verbände auf Landes- und Bundesebene gerecht wird.

Das erste Großereignis steht bereits in rund einem halben Jahr an: Wie laufen die Vorbereitungen auf das Internationale Deutsche Turnfest in Berlin?
Die Vorbereitungen in Berlin laufen bereits seit einiger Zeit und die Hauptstadt ist an sich bereits ein attraktiver Veranstaltungsort. Wir haben in Berlin beste Bedingungen bei den Veranstaltungsstätten mit der Messe Berlin als Zentrum an der Spitze.  Die Voraussetzungen für eine tolle Turnfestwoche sind gegeben. Für ein sommerliches Wetter übernehme ich selbst die Verantwortung. Das Programm liegt vor, seit 1. Oktober läuft die Anmeldung für die Vereine. Unsere Aufgabe im Bund und den Landesturnverbänden ist jetzt, für die Veranstaltung zu werben und Teilnehmer, aber auch genügend Helfer zu gewinnen. Ich freue mich auf das Turnfest und rufe alle auf, nach Berlin zu kommen!

Alfons Hörmann, Präsident des Deutschen Olympischen Sportbunds hat Sie beim Turntag sehr gelobt. Können Sie das Lob zurückgeben, zum Beispiel für die geplante Spitzensportreform und das Potenzialanalyse-System POTAS?
Alfons Hörmann war selbst Präsident eines Spitzenverbandes und zuvor eines Landesverbandes. Er kennt die Leistungsfähigkeit und den Leistungswillen, aber auch die Herausforderungen und strukturellen und wirtschaftlichen Möglichkeiten der Fachverbände. Wir haben uns inzwischen mehrfach getroffen und werden sicherlich gut zusammenarbeiten. Die geplante Spitzensportreform verfolgt das Ziel, bei internationalen Wettkämpfen, insbesondere bei den Olympischen Spielen mehr Medaillen zu gewinnen. Die gewählte Strategie ist durchdacht und verdient im Wesentlichen Zustimmung.

Nach meiner Überzeugung tut es dem Sport, mithin den Fachverbänden gut, wenn der DOSB im Spitzensport eine starke Dachverbandsposition übernimmt. Zudem brauchen wir den Schulterschluss mit dem BMI und in den Ländern mit den jeweiligen Sportministerien, als staatliche Geldgeber. Inhaltlich gab es in Deutschland bis dato den gesellschaftlichen Konsens einer breiten Leistungssportförderung. Diesen dürfen wir nicht auf dem Altar der ausschließlichen Medaillenfokussierung opfern. Wir – DTB und LTV - tragen Verantwortung für alle unsere Wettkampfsportarten und ebenso ergeht es den anderen Fachverbänden mit dem DOSB. Bei ordentlicher, zielgerichteter Arbeit der Fachverbände muss eine Entwicklungschance für die einzelnen Sportarten beziehungsweise Disziplinen bestehen.

Bleiben wir beim Thema Spitzensport: Elf von 17 deutschen Turnerinnen und Turnern bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro kamen aus Stützpunkten des Schwäbischen Turnerbunds. Wie sehen Sie die Aufgabe der Landesverbände allgemein und im speziellen des Schwäbischen Turnerbunds?
Das sportliche Ergebnis zeigt, dass die Leistungsentwicklung für die Olympischen Spiele in Rio sehr gut vonstatten ging. Ohne Zweifel verfügt der Schwäbische Turnerbund über beste Einrichtungen und Bedingungen für die Vorbereitung der Olympia-Kader und hat Großes geleistet. Verbandsintern muss man jedoch auch die Landesturnverbände und Vereine mit einbeziehen, deren Aktive sich nach Stuttgart begeben haben. Wir brauchen eine Breite in der Spitze. Hieraus ergibt sich eine grundlegende Aufgabe aller Landesturnverbände: die systematische Talentfindung und Talentförderung, etwa über die Einrichtung von Turn-Talentschulen, den Aufbau von Turn-Zentren hin zu Bundesstützpunkten. Wir müssen uns die Frage stellen, weshalb es diesbezüglich weiße Flecken auf der Landkarte in unserem Verband gibt! Nur gemeinsam werden wir bundesweit die sportliche Entwicklung unserer Athleten hin zur Weltspitze bewerkstelligen können. Das „wie“ werden wir zu diskutieren haben.

Die DTB-Frauenriege hat in Rio gezeigt, dass Sie immer näher an die ganz großen Nationen heranrückt und lässt viel erwarten für die Zukunft. Anders sieht es bei den Männern aus, wo ein Umbruch ansteht. Machen Sie sich Sorgen um das olympische Männerturnen?
Über die Erfolge und das sympathische Auftreten unserer Athleten bei den Olympischen Spielen habe ich mich sehr gefreut. Unsere Frauen haben grandios geturnt. Die Stabilität der Übungen über die ganzen Wettkämpfe hinweg hat mich beeindruckt. Wenn sie am Sprung noch mehr Längsachsendrehungen schaffen würden, dann wäre sogar ein „Treppchenplatz“ mit der Mannschaft nicht auszuschließen. Die Goldmedaille von Fabian Hambüchen, die Bronzemedaille von Sophie Scheder, das Duell zwischen Sophie und Elisabeth Seitz, das Eintreten füreinander, wie es Andreas Toba gezeigt hat, all das hat uns tagelang gerührt und mehr als einmal Gänsehaut erzeugt. Dass die exzellente Barrenübung von Marcel Nguyen nicht ausgereicht hat, um ins Finale zu kommen hat uns gezeigt, wie dicht die Spitzenturner beieinander liegen. Natürlich müssen wir feststellen, dass es bei den Männern im Gerätturnen aktuell einen Umbruch geben wird. Es wird eine große Herausforderung, die sich abzeichnenden Lücken zu schließen. Wir müssen nach Erfolg brennen. Ich vertraue hier auf unsere Trainer und deren Umfeld, dass sie diesen Umbruch bewältigen. Vor einer weiteren Herausforderung stehen wir im Trampolinturnen.

Insgesamt haben wir allen Grund positiv nach vorne zu blicken! Ich freue mich auf die Aufgaben!

ZUR PERSON:
Seit dem Jahr 1987 war Dr. Alfons Hölzl als Übungsleiter im allgemeinen Breitensport tätig, ab dem Jahr 1990 im Turnsport. Im Jahr 2007 wurde er Vorsitzender des Turnbezirks Oberpfalz und im Oktober desselben Jahres Präsident des Bayerischen Turnverbandes. Seit dem 1. Oktober 2016 ist er Präsident des Deutschen Turner-Bunds. Dr. Hölzl ist Partner einer Rechtsanwaltskanzlei in Regensburg. Er ist 48 Jahre alt, verheiratet und hat zwei Töchter.

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